Rückblick auf das Dental Camp 2017 in Nathia Gali

Liebe Mitglieder, Freunde und Interessierte!

Das WE.care Dental Camp 2017 in den Bergen des Karakorum war ein voller Erfolg!

Soviel kann ich schon einmal vorwegnehmen. Und es war eine tolle Erfahrung für alle Teilnehmer. Nicht nur die Arbeit am Patienten, sondern auch die interessanten Begegnungen auf menschlicher Ebene lassen einen, wenn auch nur kleinen, Einblick in das raue aber herzliche Leben der Menschen aus dem Galiat (es gibt neben Nathia Gali noch andere Galis, wie Dunga Gali etc.) zu.

Aber gehen wir einen Schritt zurück. Am 29. Juni sind wir, das sind Herr Hans Joachim Gerber, Dr. Yaqub Chughtai und ich in Islamabad eingetroffen. An diesem Tag haben wir bereits einiges zu erledigen gehabt. So mussten die Zahnbürsten für die Mission in Nathia Gali gekauft werden. Wir kauften 150 Kinderzahnbürsten und 100 Erwachsenzahnbürsten zum Verteilen in Nathia Gali, da wir die Bürsten, die wir kostenlos von humblesmile bekommen hätten sollen, nicht rechtzeitig vor der Abreise in Düsseldorf aus Schweden eingetroffen wären. Aber humblesmiles Director Darren Weiss hat uns für kommende Einsätze Bürsten zugesichert. Hierzu könnt ihr in meinem letzten Blog mehr lesen.

Nachdem wir sowohl am 29. als auch am 30. Juni 2017 einige Meetings mit lokalen Agenturen und Partnern hatten, sind wir am 01. Juli 2017 vormittags nach Nathia Gali abgereist. Die Reise dorthin ist spannend und abenteuerlich. Durch enge Täler und an steilen Bergabhängen entlang windet sich die schmale Strasse (Murree Road). Man kommt durch kleine Dörfer, deren familiäre und politische Strukturen seit hunderten von Jahren unverändert sind. Der Anblick freundlicher Gesichter, mit strahlenden Lächeln, wenn auch häufig lückig durch Zahnverlust, begleiten uns beim Blick aus dem Fenster unseres Fahrzeugs. Die Temperatur sinkt kontinuierlich, es wird angehnemer.

Nach Ankunft in Nathia Gali empfängt uns Dr. Waheed Khan, der ärztliche Leiter des staatlichen Krankenhauses in dem Ort und zeigt uns die Einrichtungen. Auch die zahnärztliche Einheit. Es ist ein nettes kleines, aber sehr feines Krankenhäuschen. Aber das einzige im Galiat weit und breit.

In dem Galiat leben ca. 300.000 Menschen. Diese sind über viele Berge und Täler verstreut. Daher war auch die Anreise einiger Patienten nach Nathia Gali eine wahre Odyssee. Einige sind über Stunden zu Fuss zum diesem einzigen funktionsfähigen Krankenhaus, in dem die Zahn-Klinik ansässig ist, gelaufen. Obwohl bekannt war, dass nur 7-9 Tickets pro Tag für Behandlungen durch WE.care ausgegeben werden. So mussten wir einige Patienten unbehandelt fortziehen lassen, was für uns natürlich nicht schön war. Aber um Qualität zu gewährleisten, was ein klares Ziel war, mussten wir diesen Kompromiss eingehen.

Am folgenden Tag, dem 02. Juli 2017, haben wir Dr. Nadia Malik kennengelernt. Dr. Nadia Malik ist die Zahnärztin, die die Zahnklinik leitet. Sie ist seit ca. 1,5 Jahren vor Ort und behandelt die Menschen der Region. Es stellt sich schnell heraus, dass die wesentlichen Massnahmen aus Extraktionen von Zähnen, Abszessspaltungen und der Gabe von Medikamenten besteht. Zahnerhaltende Massnahmen, wie Füllungen und Wurzelkanalbehandlungen werden weder angeboten noch durchgeführt. Das liegt nicht nur an der Ausbildung der lokalen Zahnärztin oder der fehlenden Ausstattung, sondern an der Mentalität der Patienten dort. Das sollte ich den kommenden Tagen selber erfahren und dazu mehr im Laufe des Berichts.

Deutsche Gründlichkeit und Organisation von Abläufen: Das stand an diesem und den folgenden Tagen immer wieder auf dem Programm. So haben ich mich an diesem Tag um die medizinische Ausstattung und Ordnung im Behandlungsbereich gekümmert, während Dr. Chughtai Sen. und Herr Gerber sich um die Optimierung der formalen Abläufe und der zeitlichen Koordination der Patienten gekümmert haben. Eine weitere wichtige Aufgabe für uns, war es Formblätter, wie Anamnesebögen, zu definieren, zu erstellen und zu implementieren. Dies erwies sich am Ende als eine sehr erfolgreiche und hilfreiche Aktion, welche von Dr. Chughtai Sen. und Herrn Gerber über die ganze Woche erarbeitet wurde. Ringordner sind nun allen in Nathia Gali ein Begriff und der Gebrauch auch. An diesem Tag habe ich als Vorbereitung für die kommenden Tage Angehörige des Krankenhauspersonals behandelt, um Abläufe, die zahnärztliche Einheit und Materialen zu testen.

Am 03. Juli kamen die ersten Patienten zu unserer Behandlung. Es zeigte sich bei den Anamnesen und Grunduntersuchungen fast durchgängig, daß akute Beschwerden die Patienten zum Aufsuchen eines Zahnarzt bewegten. Zusammenfassend sind stark kariös zerstörte Zähne, Abszesse aber auch schmerzende Mundschleimhauterkrankungen bei den Patienten vorherrschend gewesen. Den Patienten wurden von Dr. Nadia und mir Vorschläge zur Therapie unterbreitet. Häufig aber wünschten die Patienten eine Extraktion. Argument war vor allem, daß dann eine erneute Anreise nicht nötig wäre. Wir versuchten die Patienten davon zu überzeugen, daß eine endodontische Massnahme für sie langfristig besser ist. Einige liessen sich darauf ein, einige nicht. Vor allem bei Patienten mit fehlendem Bildungshintergrund konnten wir häufig keine Überzeugung zum Zahnerhalt erzielen.

Eine weit verbreitete Gewohnheit in der Region besteht in dem Verwenden von Kautabak (im lokalen Sprachgebrauch als Naswar bezeichnet). Viele Patienten stellten sich in den Tagen mit von ihnen festgestellten Schleimhautveränderungen vor. Diese erwiesen sich zumeist als sog. Leukoplakien (Vorstufen zum Plattenepithelskarzinom). Einige der Patienten wiesen wir an, sich zur weiteren histobiologischen Abklärung in Abottabad, der nächsten Stadt mit entsprechenden medizinischen Einrichtungen vorzustellen. Wir legten bei diesen Patienten vor allem viel Wert auf Aufklärung über Risiken des Gebrauchs von Naswar. Viele Patienten sind sich der Gefahren des Tabakkauens nicht bewusst.

Ein weiterer Schwerpunkt in den Behandlungstagen vom 03. bis 06. Juli in Nathia Gali waren, neben der Füllungs- und Wurzelkanaltherapie, die Aufklärung über Prävention. Viele Kinder und Erwachsene putzen die Zähne nur einmal am Tag und das am Morgen. Wir klärten darüber auf, wie, wann und wie oft Zahnpflege durchzuführen ist. Mit dem Schenken einer Zahnbürste und Zahnpasta wollten wir vor allem die Menschen motivieren, daß soeben gehörte zu hause umzusetzen. Wir hoffen, dass wir das erreichen konnten.

Seit dem 09. Juli befinden wir uns nun in Karachi , wo wir weitere Verhandlungen mit dem Creek General Hospital in Korangi führen. Das Gespräch vom 11. Juli 2017 mit Dr. Danish Khan, einem der Betreiber des caritativen Krankenhauses, war durchaus vielversprechend. Wobei auch hier mal wieder abzuwarten bleibt, was on deren Seite aus von den vereinbarten Schritten dann auch tatsächlich umgesetzt wird. Wir bleiben auf jedenfall dran.

Ich hoffe ich konnte euch einen kleinen Einblick in den Behandlungsalltag unseres Camps geben. Gerne würden wir auch unsere Station in Karachi aufbauen, woran wir weiter fleissig arbeiten werden. Gerne könnt ihr mich anschreiben, wenn ihr Fragen habt.

Liebe Grüsse und bis dahin

Eurer

Dr. Kashif Chughtai