9. WE.care Dental Camp Karachi / Skardu Juli 2024

Reisebericht eines zahnärztlichen Hilfseinsatzes in Pakistan mit WE.care e.V. von Sven Kible und Dr. Simon Peppel

Liebe Mitglieder, Freunde und Unterstützer von WE.care e.V.!

Wir sind zwei Zahnärzte, die seit einigen Jahren in Deutschland arbeiten und bereits mehrmals im Ausland Erfahrungen bei zahnärztlichen Hilfseinsätzen gesammelt haben. Unsere Reiseleidenschaft begann, als wir noch Studenten waren und nach Westafrika, genauer gesagt nach Benin, reisten. Dort lernten wir, wie wertvoll es ist, unsere medizinischen Fähigkeiten in Regionen einzusetzen, die nur begrenzten Zugang zu zahnärztlicher Versorgung haben. Nach unserem Staatsexamen und der Approbation führte uns unser erster Einsatz nach Südamerika, wo wir in Peru arbeiteten. Diese Einsätze haben uns tief geprägt und unsere Motivation gestärkt, auch weiterhin dort zu helfen, wo es am dringendsten benötigt wird.

Während unseres Einsatzes in Afrika lernten wir Rena kennen, eine hochengagierte Zahnärztin, die uns von einer Organisation erzählte, die in Pakistan tätig ist. Seitdem ließ uns die Idee nicht mehr los, zahnärztlich freiwillig in Pakistan zu arbeiten – einem Land, das nicht gerade als typisches Reiseziel bekannt ist. Die Möglichkeit, in einem Land wie Pakistan einen Beitrag zu leisten, faszinierte uns. Nachdem wir nun seit knapp zwei Jahren in Deutschland als Zahnärzte tätig sind, war der Zeitpunkt perfekt für einen neuen Einsatz.

Abb. 1 v.l. Dr. Simon Peppel, Sven Kible, Rena Cheema

Der weite Flug nach Pakistan bot uns die Gelegenheit, einen Zwischenstopp in Doha, Katar, einzulegen. Dieses kleine, aber beeindruckende Land wollten wir uns nicht entgehen lassen, und so nutzten wir die Gelegenheit, um auch dort einige interessante Eindrücke zu sammeln.

Ein besonderes Dankeschön möchten wir an dieser Stelle an Kashif richten, den Leiter und Gründer von WE.care e.V., sowie an Omer, dem Cousin von Kashif, der in Karachi lebt, unseren unermüdlichen Kontakt vor Ort. Ohne Omer wäre bereits der Erhalt des Visums eine große Herausforderung gewesen, die wir alleine kaum hätten meistern können.

Nach einer langen Reise erreichten wir schließlich Pakistan und wurden sofort von den für das Land typischen intensiven ersten Eindrücken überwältigt. Der Lärm der Straßen, das bunte Treiben, die exotischen Gerüche – alles war neu und faszinierend. Doch all diese Eindrücke konnten uns nicht davon abhalten, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren: unsere bevorstehende Arbeit.

In unserer Unterkunft in Karachi angekommen, wurden wir herzlich empfangen. Es war ein wunderbares Gefühl, nach der anstrengenden Reise an einem Ort anzukommen, an dem man sofort willkommen geheißen wird und sich gut aufgehoben fühlt. Der erste Abend war geprägt von herzlichen Begegnungen und der Vorfreude auf die kommenden Tage.

Am nächsten Morgen besuchten wir die erste Klinik, die sich in einem Armenviertel von Karachi, nämlich Korangi befindet. Schon bei unserer Ankunft waren viele Patienten versammelt und warteten geduldig auf eine Behandlung. In der Klinik lernten wir die Zahnärztin Dr. Gulfam Atif und ihren Assistenten Ejaaz kennen, die mit unglaublichem Engagement arbeiteten. Die Al Mustafa trust Clinic in Clifton bietet eine umfassende medizinische Versorgung durch Spezialisten, wobei die Zahnheilkunde nur ein Fachbereich ist. Einige Tage später besuchten wir eine weitere Klinik, die Al Mustafa trust Clinic in Korangi, die nach dem gleichen Konzept arbeitet. Dort hatten wir das Vergnügen, Dr. Rabia Khan und ihren Assistenten Ramazan kennenzulernen.

Abb. 2 Wir mit Dr. Rabia (2.v.l.) und Ramazan (links)

Abb. 3 Wartebereich mit Patienten in der AMT Klinik in Korangi

Während in unseren früheren Einsätzen die direkte Behandlung der Patienten im Vordergrund stand, lag der Fokus dieses Mal auf der Schulung der Ärzte und Assistenten vor Ort. Dies war für uns eine besonders spannende Aufgabe, da sie einen nachhaltigen Effekt hat: Die Ärzte vor Ort können so ganzjährig Patienten behandeln und ihre Kenntnisse weitergeben.

Abb. 4 Wir bei der Arbeit an unseren kleinen Patienten

Besonders im Gedächtnis geblieben ist uns ein Patient, der durch den jahrelangen Konsum von Betelnüssen (eine in Südasien weit verbreitete Nuss, die gekaut wird und ein starkes Stimulans ist) schwerwiegende Vernarbungen im Mundbereich und Schleimhautveränderungen zeigte. Dies ist ein besorgniserregender Zustand, da solche Veränderungen häufig mit einem erhöhten Risiko für Mundkrebs verbunden sind.

Abb. 5 Patient mit Schleimhautveränderung durch Betelnusskauen

Besonders erschütternd war auch die Situation vieler Kinder, die bereits im Milchgebiss enorme Kariesprobleme hatten. Der übermäßige Zuckerkonsum, insbesondere durch gesüßten Tee, trägt erheblich zu dieser Problematik bei.

Abb. 6 Kind mit stark kariösem Milchgebiss

Unser Hauptaugenmerk bei der Schulung lag auf der Etablierung von Hygienestandards und einer besseren Organisation, zwei Aspekte, die im Chaos des pakistanischen Alltags oft vernachlässigt werden. Wir waren besonders beeindruckt vom Einfallsreichtum und Durchhaltevermögen der Ärzte vor Ort, die unter oft schwierigen Bedingungen arbeiten. In einem Land, in dem man sich nicht auf eine zuverlässige Stromversorgung verlassen kann, ist es umso bemerkenswerter, dass der Verein durch die Investition in eine moderne Solaranlage in einer der Kliniken eine stabile Versorgung sicherstellen konnte.

Abb. 7 Wir mit Rena, Dr. Gulfam und Kindern

Ein besonderes Highlight unserer Zeit in Karachi war die Einladung von Prof. Shah Jahan Katpar, einem Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen an der Dow University. Er ermöglichte uns, bei der Behandlung eines Traumapatienten nach einem Motorradunfall zu hospitieren. Wir waren tief beeindruckt von der hohen Qualität der chirurgischen Eingriffe, die unter schwierigsten Bedingungen durchgeführt wurden.

Abb. 8 Prof. Katpar (3.v.l.) und sein Team mit uns

Ein unvergessliches Erlebnis war auch der Besuch bei einer der Zahnärztinnen, die uns zu einem traditionellen Abendessen mit ihrer Familie einlud. Wir wurden mit Byriani, Kofta und einem köstlichen Mango-Shake verwöhnt – eine wunderbare Gelegenheit, die pakistanische Gastfreundschaft hautnah zu erleben. Ebenso in Erinnerung geblieben ist uns ein gemeinsamer Restaurantbesuch mit dem gesamten Team, bei dem wir typisch pakistanisches BBQ genossen.

Während unserer Zeit in Karachi hatten wir auch die Gelegenheit, ein lokales Fischerdorf zu besuchen. Dieser Ausflug war besonders eindrucksvoll, da wir hautnah die harten Lebensumstände der Fischer und ihrer Familien miterleben konnten. Die Menschen dort 

leben unter einfachen Bedingungen, doch der Zusammenhalt in der Gemeinschaft und ihre tiefe Verbindung zum Meer waren spürbar. Wir beobachteten die Fischer bei ihrer täglichen Arbeit, die trotz der Herausforderungen mit einer bemerkenswerten Hingabe ausgeführt wird. Besonders berührt hat uns die Begegnung mit den vielen lebensfrohen Kindern, die uns mit ihren strahlenden Augen und neugierigen Fragen empfingen. Trotz der einfachen Verhältnisse sprühten sie vor Energie und Freude, was uns noch einmal verdeutlichte, wie viel Glück und Zufriedenheit im Herzen dieser Menschen liegt. Dieser Besuch hat uns die Vielfalt und Resilienz der Menschen in Pakistan eindrücklich vor Augen geführt und bleibt uns als eines der schönsten Erlebnisse unserer Reise in Erinnerung.

Nach einer Woche in Karachi beschlossen wir, das exotische Land auch als Touristen kennenzulernen. Wir flogen nach Islamabad und machten uns von dort auf den Weg in die beeindruckenden Berge des Karakorum-Gebirges, das einige der höchsten Gipfel der Welt beherbergt. Eine besonders abenteuerliche Erfahrung war eine Jeepfahrt und Wanderung zum Nanga Parbat, dem „Killerberg“, der als einer der gefährlichsten Berge der Welt gilt.

Abb. 9. und 10. Beeindruckende Landschaften im Norden von Pakistan

n den Bergen verbrachten wir viel Zeit in der Stadt Skardu, einem malerischen Ort, der umgeben ist von einigen der höchsten Gipfel der Welt. Skardu hat uns mit seiner Schönheit und Ruhe tief beeindruckt. Hier hatten wir auch die Möglichkeit, Aniqa kennenzulernen, die eine Schule für gehörlose Kinder in Skardu leitet. Nach der Geburt ihrer gehörlosen Tochter gründete sie diese Schule und widmete ihr Leben der Bildung und Unterstützung dieser Kinder. Wir waren zutiefst beeindruckt von ihrem Engagement und führten Mundhygienetrainings mit den Schülern und Lehrkräften durch, um die Zahnpflege – den wichtigsten Schlüssel zur Zahngesundheit – zu fördern. Wir hoffen, dass hier eine zukünftige Zusammenarbeit entstehen kann.

Abb. 11 Wir üben das Zähneputzen mit Kindern in Skardu

Zum Abschluss unserer Reise machten wir eine Wanderung in den Bergen, deren Höhe selbst die Anden in Südamerika weit in den Schatten stellt. Es war ein unvergessliches Erlebnis, inmitten dieser majestätischen Landschaft unterwegs zu sein.

Abb. 12 und 13 Landschaft und wir nach der Wanderung

Bevor wir Pakistan verließen, besichtigten wir noch die Stadt Lahore. Diese Stadt ist das kulturelle Herz Pakistans und beeindruckte uns mit ihrer reichen Geschichte und ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Besonders beeindruckend waren die prachtvolle Badshahi-Moschee, das Lahore Fort und die lebhaften Basare, die die Farben und Düfte der Region widerspiegeln.

Abb. 14 Eines der alten Stadttore von Lahore

Mit vielen neuen Eindrücken und tiefen Erinnerungen im Gepäck traten wir schließlich die Heimreise an. Der Einsatz in Pakistan war nicht nur beruflich, sondern auch persönlich eine der bereicherndsten Erfahrungen, die wir bislang machen durften. Wir sind dankbar für die herzliche Gastfreundschaft und die Möglichkeit, mit unserer Arbeit einen kleinen, aber bedeutenden Unterschied gemacht zu haben.

Euer Sven Kible und Dr. Simon Peppel